Antwort auf Interpellation zum Verkehr rund um Wil West: Es gibt fast nur Gewinner
Mehrere Kantonsräte aus dem Kanton Thurgau haben sich in einer Interpellation nach den verkehrlichen Auswirkungen von Wil West erkundigt. Der Regierungsrat legt in seiner Antwort anhand von Zahlen dar, dass eine Vielzahl von Menschen von den umfassenden Lärmschutzmassnahmen, die mit Wil West einhergehen, profitiert.
Lesen Sie im untenstehenden Q&A die Fragen aus der Interpellation zu den Verkehrsverlagerungen Wil West und Auszüge der Antwort der Thurgauer Regierung nach. Die originalen Dokumente finden Sie im Anschluss ans Q&A als Download.
Um die Auswirkungen von WILWEST zu beurteilen, erstellte das kantonale Tiefbauamt 2021 für alle Projektpartner eine Verkehrsprognose für das Jahr 2040 mit und ohne die Standortentwicklung und die dazugehörigen Infrastrukturmassnahmen. Die Prognose stützt sich auf das regionale Verkehrsmodell Wil des Kantons St. Gallen, berücksichtigt die Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung und ist vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) plausibilisiert. Die in der Interpellation aufgeführten Verkehrsabnahmen und -zunahmen stimmen grösstenteils mit der durch das kantonale Tiefbauamt durchgeführten Verkehrsprognose überein. Eine Ausnahme ist die Strecke von Tägerschen ab Knoten Münchwiler-/Wilerstrasse durch Tobel Richtung Amlikon. Hier prognostiziert das Verkehrsmodell des Tiefbauamts des Kantons Thurgau eine Verkehrszunahme von weniger als 4 Prozent, nicht plus 12 Prozent, wie es in der Interpellation aufgeführt ist.
Die in der Frage geäusserte Meinung, dass entlang der neu zusätzlich belasteten Strassen deutlich mehr Menschen wohnen als entlang der neu entlasteten Strassen, trifft nicht zu. Dies zeigt eine Auswertung der Daten des Gebäude- und Wohnregisters. Entlang der von den Fragestellern genannten Strecke von Tobel bis Bronschhofen AMP wohnen 1’195 Menschen. Entlang der in Münchwilen und Sirnach entlasteten Strassen sind es 1’952, in der Stadt Wil profitieren 5’461 Personen entlang der entlasteten Strassen.
Koordiniert mit der Realisierung von Wil West und der Netzergänzung Nord wird in Bettwiesen ein hochwirksamer Lärmschutz-Belag eingebaut und einzelne Liegenschaften in Bettwiesen erhalten zusätzlich Lärmschutzwände. Dadurch wird in Bettwiesen nur eine Liegenschaft mit drei Personen mehr von Lärm belastet als heute, in Tobel-Tägerschen keine. Ohne projektintegrierte Lärmschutzmassnahmen wären es 99 Liegenschaften mit 618 Personen in Bettwiesen und 15 Liegenschaften mit 135 Personen in Tobel-Tägerschen. Das zeigt eine neue lärmschutzrechtliche Auswertung der SINUS AG im Auftrag des kantonalen Tiefbauamts.
Fazit der neuen Lärm-Auswertung für die gesamte Region ist, dass Wil West inklusive der Netzergänzung Nord als grossräumiges Lärmschutzprojekt bezeichnet werden kann. Vor allem in den Politischen Gemeinden Sirnach, Rickenbach, Münchwilen, St. Margarethen, Wängi und in der Stadt Wil verbessert sich die Lärmsituation entlang der Strassen deutlich. Durch das Projekt Wil West inklusive der Netzergänzung Nord werden 1’573 Liegenschaften mit total 14’691 Personen vom heutigen Lärm entlastet. Die aus dem Projekt resultierende wahrnehmbare Mehrbelastung mit Lärm an 267 Liegenschaften mit 2’127 Personen im gesamten Projektperimeter wird mit Lärmschutzmassnahmen aufgefangen. Dank diesen Massnahmen profitieren in der Gesamtbetrachtung 1’803 Liegenschaften mit total 16’692 Personen von einer deutlichen Lärmabnahme. Sie stehen 53 Liegenschaften mit total 411 Personen mit einer wahrnehmbaren Lärmzunahme gegenüber, vorwiegend in Wil.
Die Netzergänzung Ost ist im aktuellsten Agglomerationsprogramm mit der Priorität C für eine Realisierung nach 2031 eingestuft. Sie soll erst nach der Inbetriebnahme der Netzergänzung Nord realisiert werden. Mit der vorgesehenen zeitlichen Etappierung kann der Verkehr trotz den vielen Massnahmen möglichst flüssig abgewickelt werden. Alle dazugehörigen flankierenden Verkehrsmassnahmen werden koordiniert mit den genannten Hauptmassnahmen umgesetzt.
Priorität C bedeutet, dass der von den Interpellanten gewünschte realistische Zeitplan und eine gesicherte Finanzierung noch nicht vorhanden sind. Mit der Aufnahme in das Agglomerationsprogramm ist die Massnahme aber mittelfristig eingeplant.
Anzufügen ist aber auch, dass die Netzergänzung Ost nicht jene deutliche Entlastung bringt, welche die Interpellation suggeriert. Für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Netzergänzung Ost wird lediglich eine leichte Entlastung auf den Strassenabschnitten Bettwiesen-Hauptstrasse und Tobel-Tägerschen prognostiziert.
Nichtsdestotrotz ist es auch aus Sicht des Regierungsrates wichtig, alle geplanten Massnahmen inklusive Netzergänzung Ost aus dem Agglomerationsprogramm zu realisieren, damit sich die gewünschte Wirkung über die gesamte Region entfaltet. Genau darin liegt auch der Vorteil eines Agglomerationsprogramms, das die Gesamtbetrachtung von Siedlung und Verkehr institutionalisiert.
Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die positive Wirkung der Netzergänzung Ost hauptsächlich im Osten der Stadt Wil entfaltet. Mit detaillierteren Verkehrsberechnungen sind keine grossen Erkenntnisgewinne zu erwarten. Da die Netzergänzung Ost ein Vorhaben des Kantons St. Gallen ist, wird er im Rahmen der bevorstehenden Zweckmässigkeitsbeurteilung weitere Abklärungen tätigen. Der Regierungsrat des Kantons Thurgau sieht nicht vor, eigene Berechnungen zur Netzergänzung Ost auszulösen.
Der Regierungsrat die Einschätzung der Interpellanten nicht, dass es keine Entlastung der Anwohnerinnen und Anwohner in Bettwiesen und Tägerschen gibt. Das kantonale Tiefbauamt hat flankierende Massnahmen für die Verkehrsabwicklung, den Lärmschutz sowie die Verbesserung der Fussweg- und Schulwegsicherheit koordiniert mit der Realisierung von Wil West und Netzergänzung Nord eingeplant. Die Netzergänzung Ost wird damit nicht überflüssig, ist aber in der Gesamtbetrachtung nicht als dringlich einzustufen.
Der Regierungsrat steht weiterhin zum Agglomerationsprogramm der Regio Wil. Eine zeitliche Etappierung der grossen Verkehrsmassnahmen hält er nach wie vor für richtig. Die gleichzeitige Realisierung aller Hauptmassnahmen würde in der Stadt Wil zum Verkehrskollaps führen und zahlreiche umliegende Ortsdurchfahrten massiv mehr belasten. Die Verkehrsfragen in der Region Wil müssen überkantonal und überkommunal betrachtet werden. Der Nutzen der Massnahmen gemäss Agglomerationsprogramm ist ausgewiesen: Der stellenweisen Mehrbelastung steht eine grossflächige und signifikante Entlastung gegenüber.